Erworbene Immunschwäche
Aids ist die Abkürzung für „Acquired immune deficiency syndrome“, zu Deutsch erworbenes Immunschwächesyndrom. Von einem „Syndrom“ sprechen die Mediziner, weil es sich bei Aids um mehrere Erkrankungen handelt, die sich charakteristischerweise im Verlauf einer Ansteckung mit dem humanen Immundefizienzvirus (human immune deficiency virus), kurz HIV, einstellen. Bleibt die Infektion unbehandelt, zerstören die Viren bestimmte weiße Blutzellen und verursachen damit langfristig eine Abwehrschwäche mit dem „Vollbild“ Aids. Über die Herkunft des Virus gab es lange Zeit nur Spekulationen. Die Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass es sich bei HIV ursprünglich um ein Affenvirus handelt, das vom Schimpansen auf den Menschen übergetreten ist.
Opportunistische Infektion
Im Verlauf einer HIV-Infektion schwindet die Abwehrkraft des menschlichen Organismus kontinuierlich. Dadurch werden opportunistische Infektionen und bestimmte Tumore begünstigt. Bei den opportunistischen Infektionen oder „Sekundärinfektionen“ handelt es sich um neu erworbene oder wiederaufflammende Infektionen mit häufig vorkommenden Krankheitserregern, die das gesunde Immunsystem in der Regel problemlos bekämpfen oder in Schach halten kann. Ein geschwächtes oder zerstörtes Immunsystem aber kann die Erreger nicht mehr abwehren.
Die häufigsten opportunistischen Infektionen
Zu den häufigsten opportunistischen Infektionen zählt die Pneumocystis-Pneunomie, eine Lungenentzündung, die durch den Erreger Pneumocystis jiroveci (früher Pneumocystis carinii) verursacht wird. Dieser Pilz nistet in der Lunge nahezu jedes Menschen, ohne bei intaktem Immunsystem eine Krankheit auszulösen. Weitere häufige opportunistische Infektionen sind ein entzündlicher Befall der Speiseröhre mit dem Hefepilz Candida albicans sowie Abzesse im Gehirn (Toxoplasmose), die durch den Parasiten Toxoplasma gondii verursacht werden. Weit verbreitet sind auch Infektionen mit dem Zytomegalie-Virus. Sie verlaufen beim Menschen mit gesundem Immunsystem normalerweise ohne Symptome, bei einer geschwächten Abwehr können sie jedoch unbehandelt zur Erblindung führen.
Krebserkrankungen im Gefolge einer HIV- Infektion
Zu den Tumoren, die häufig im Gefolge einer langfristigen HIV-Infektion auftreten, gehört das Kaposi-Sarkom, ein sonst nur selten vorkommender Tumor, der von Blutgefäßen ausgeht und bevorzugt Haut oder Schleimhäute befällt. Auch so genannte B-Zell-Lymphome sind häufig. Sie beruhen auf einer bösartigen Vermehrung der B-Zellen, Abwehrzellen des Immunsystems, die im Knochenmark gebildet werden, in den lymphatischen Organen reifen und in Blut und Lymphe patroullieren. Gehäuft treten auch Tumoren des Gebärmutterhalses (Zervixkarzinome) und Analkarzinome auf, die von bestimmten Viren, den humanen Papillomviren, verursacht werden.
Unbehandelt tödlich
Ohne Therapie endet eine Infektion mit dem HI-Virus tödlich. Große Studien haben gezeigt, dass ohne Behandlung 14 Jahre nach der Infektion bei nahezu 70 Prozent der Patienten die Erkrankung bis zum Endstadium Aids fortgeschritten ist oder die Patienten bereits verstorben sind.
Bekannt ist das Aids verursachende HI-Virus (human immune deficiency virus) seit 1983. Damals konnten es der französische Wissenschaftler Luc Montagnier vom Pasteur-Institut in Paris und der amerikanische Virusforscher Robert Gallo zweifelsfrei identifizieren. Zum damaligen Zeitpunkt waren 4.100 Menschen erkrankt und 2.900 an der neuen Krankheit mit dem Namen „Acquired immuno deficiency syndrom“, kurz Aids, verstorben.
Das Programm der Vereinten Nationen UNAIDS schätzt, dass weltweit Ende 2017 rund 36,9 Millionen Menschen mit HIV infiziert waren, es kamen zirka 1,8 Millionen Neuinfektionen hinzu und es starben rund 1 Mio Menschen an den Folgen der Infektion.1
In Europa gab es 2017 Schätzungen der WHO zufolge rund 160.000 Neuinfektionen, es lebten dort etwa 2,3 Millionen Menschen mit HIV/Aids. Über zwei Drittel aller HIV-Infizierten (25,9 Millionen) lebt laut Schätzungen von UNAIDS in Afrika, v.a. in den südlichen und östlichen Ländern; dort sind in mehreren Ländern 10 bis 30 Prozent der Bevölkerung mit dem gefährlichen Virus infiziert.
UNAIDS hat sich ein ambitioniertes Ziel zum Beenden der HIV-Epidemie gesetzt: 90-90-90. Bis 2020 sollen 90 % der HIV-Infizierten weltweit ihren Status kennen, 90 % der diagnostizierten HIV-Infizierten sollen Zugang zur antiretroviralen Therapie erhalten und bei wiederum 90 % dieser Menschen soll die Viruslast ein nicht nachweisbares Level erreichen.
Weiterführende Informationen und Daten finden Sie hier:
Das HI-Virus zählt zur Gruppe der so genannten Retroviren. Deren Kennzeichen ist es, dass sie ihre Erbanlagen (Gene) auf einer einzelsträngigen Ribonukleinsäure (RNS) tragen. Ihr zweites Charakteristikum ist ein Enzym namens Reverse Transkriptase. Es schreibt die Erbinformation des Virus (einzelsträngige RNS) in die Erbinformation der menschlichen Zelle (doppelsträngige Desoxyribonukleinsäure, DNS) um, sobald das Virus in seine Wirtszelle eingedrungen ist. Diese Umschrift (Transkription) macht es den Viren möglich, ihre Erbinformation in die der menschlichen Zelle einzubauen. Die Wirtszelle wird auf diese Weise umprogrammiert und produziert daraufhin massenhaft neue Viren, die wiederum weitere Zellen befallen. Die virale Erbinformation wird auch dann weitergegeben, wenn sich die Zelle teilt und verbleibt somit lebenslang im Körper des infizierten Menschen. Es ist deshalb bislang nicht möglich, eine Infektion mit HI-Viren auszuheilen.
Ein HI-Virus (rot) verlässt seine Wirtszelle durch die Zellmembran. (Bildquelle: Roche)
Als Wirtszellen bevorzugen die Viren T-Helferzellen, die unentbehrlichen „Einsatzleiter“ des Immunsystems: Sie erkennen Fremdsubstanzen, geben das Startsignal für die Produktion der meisten Antikörper und alarmieren die T-Killerzellen, die Spezialisten der Virenabwehr. Je mehr T-Helferzellen von den Viren befallen und dabei zerstört werden, desto weniger ist das Immunsystem in der Lage, seine Aufgabe – den Schutz des Körpers vor allgegenwärtigen krankmachenden Eindringlingen – zu erfüllen.
In die T-Helferzellen hinein gelangt die virale Erbinformation, indem die Viruspartikel an bestimmte Oberflächenstrukturen, so genannte Rezeptoren (CD4-Rezeptoren), auf der Umhüllung (Membran) der T-Helferzelle andocken und mit der zellulären Membran verschmelzen. Das im Innern der Viruspartikel enthaltene Erbmolekül wird daraufhin frei und ins Innere der Zelle entlassen.
Eine HIV-Infektion erfolgt über stark virushaltige Körperflüssigkeiten. Das sind in erster Linie Blut sowie Samen- und Scheidenflüssigkeit. Auch über die Muttermilch können die Viren übertragen werden.
Einige Tage bis wenige Wochen nach der Infektion kann es zu einer „akuten HIV-Krankheit“ kommen. Das ist bei etwa jedem zweiten Neuinfizierten der Fall. Die akute HIV-Krankheit äußert sich mit Fieber, geschwollenen Lymphknoten, Schwächegefühl, Entzündungen im Rachenraum, Hautausschlägen, anhaltenden Durchfällen sowie Kopf- und Gliederschmerzen.
Alle diese Krankheitszeichen verschwinden nach drei bis vier Wochen wieder. Während der akuten Krankheitsphase ist die Viruskonzentration im Blut hoch und die Anzahl der T-Helferzellen deutlich erniedrigt. Nach der Akuterkrankung geht die Menge der Viren im Blut zurück, die Anzahl der T-Helferzellen steigt wieder. Der Grund dafür ist, dass das Immunsystem auf die Eindringlinge aufmerksam geworden ist und die Produktion von Antikörpern, die die Viren angreifen, angekurbelt hat. Die Antikörper können die Viren zwar reduzieren, aber nicht vollständig eliminieren.
Nach der akuten Phase zeigen sich bei den meisten Patienten zunächst keine auf HIV zurückzuführenden Krankheitserscheinungen mehr. Wie lange die symptomfreie Zeit anhält, ist von Mensch zu Mensch verschieden, sie kann einige Monate bis viele Jahre andauern. Dennoch vermehren sich auch in dieser Zeit die Viren im Blut, und die T-Helferzellen werden allmählich dezimiert. Erfahrungsgemäß vergehen ohne therapeutische Intervention durchschnittlich zehn Jahre, bis die symptomlose Phase in das Aids-Stadium übergeht.
Als Wirtszellen bevorzugen die HI-Viren (im Bild gelb dargestellt) bestimmte Zellen des Immunsystems, so genannte T-Helferzellen, in denen sie sich vermehren. (Bildquelle: Roche)
Dieser Übergang kann plötzlich erfolgen; bei den meisten Patienten kündigt er sich jedoch mit einem allmählich schlechter werdenden Gesundheitszustand an. Am häufigsten äußert er sich mit verminderter Leistungskraft, ungewollter Gewichtsabnahme, Fieberschüben und Durchfällen ohne erkennbare Ursache. Auch Infektionen der Mundschleimhaut mit dem Pilz Candida albicans werden häufig beobachtet. Wenn Blutuntersuchungen ergeben, dass weniger als 200 T-Helferzellen in einem Kubikmilliliter Blut enthalten sind, gilt eine HIV-infizierte Person als aidskrank.
Die amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) haben die Stadien der HIV-Erkrankung 1993 klassifiziert. Danach wird der Krankheitsverlauf international in drei klinische Stadien (A, B, C) aufgeteilt. Als Stadium A wird die akute HIV-Krankheit bezeichnet; Stadium B bezeichnet Erkrankungen, die auf eine Schwäche des Immunsystems hinweisen; im Stadium C treten Erkrankungen auf, die Aids definieren.
Um zu prüfen, ob eine Infektion mit HIV erfolgt sein könnte, wird der Arzt zunächst einen Test vornehmen, der die Viren indirekt nachweist. Der dazu verwendete Test zeigt Antikörper an; das sind Eiweißmoleküle, die von bestimmten Immunzellen, den B-Zellen, ausgeschüttet werden und sich speziell gegen HI-Viren richten. Für deren Produktion braucht das Immunsystem allerdings Zeit, weshalb die Antikörper in der Regel frühestens vier Wochen nach der Infektion nachzuweisen sind.
Erst nach einer diagnostischen Lücke von rund drei Monaten kann der Test zuverlässig anzeigen, ob HIV-Antikörper im Blut vorhanden sind. Man spricht dann von einem positiven Testergebnis. Zumeist erfolgt der Nachweis der Antikörper in zwei Etappen: Wenn ein zuerst erfolgter Antikörpersuchtest positiv ausgefallen ist, schließt sich ein zweiter Test zur Bestätigung an.
Von besonders großer und zunehmend wachsender Bedeutung ist der seit Mitte der 1990er Jahre in der medizinischen Praxis mögliche unmittelbare Nachweis der Virus-Erbinformation. Dies geschieht mit der so genannten qualitativen Polymerase-Kettenreaktion, kurz PCR. Ihr Prinzip: Geringste Spuren von Virus-Erbinformation im Blut werden millionenfach vervielfältigt und dadurch sichtbar – was die Frage „Infektion ja oder nein?“ frühzeitig beantworten lässt. Moderne PCR-Tests sind hochempfindlich und können weniger als 50 Kopien viraler Erbsubstanz pro Milliliter Blut nachweisen. Damit ist die PCR die genaueste der verfügbaren Nachweismethoden.
Der direkte Virusnachweis mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) wird nicht nur für die Diagnose, sondern auch für die Erfolgs- und Verlaufkontrolle einer Therapie verwendet: Mithilfe der quantitativen Polymerase-Kettenreaktion lässt sich die Menge an Viren im Blut exakt messen, der Schweregrad der Infektion beurteilen und der Erfolg einer medikamentösen Therapie überwachen.
Da es bislang nicht möglich ist, gegen das HI-Virus zu impfen, kommt der Prävention mit anderen Methoden besondere Bedeutung zu. Das Virus wird hauptsächlich auf zwei Wegen übertragen: über ungeschützten Geschlechtsverkehr und über das Einbringen von virushaltigem Blut in die Blutbahn. Daraus ergeben sich die wichtigsten Maßnahmen zur Prävention, dem Schutz vor einer Infektion.
Die wohl wichtigste Maßnahme ist das Verwenden von Kondomen, insbesondere bei neuen oder wechselnden Sexualpartnern. Bluttransfusionen in Ländern, in denen Kontrollen nicht oder nicht lückenlos erfolgen, sollten gemieden werden. Das gilt auch für jede andere medizinische Behandlung, bei der es zu Blutkontakt kommt. Drogenabhängige, die Drogen ins Blut spritzen, sollten Einmalspritzen verwenden. Schwangere Frauen, die mit HIV infiziert sind, sollten via Kaiserschnitt entbinden und auf das Stillen des Neugeborenen verzichten.
Zudem wurde in Europa 2016 die Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) zugelassen, nachdem zwei groß angelegte Studien, IPERGAY und PROUD, die Effizienz dieser Methode belegen konnten. Dabei nehmen HIV-Negative aus Risikogruppen ein HIV-Medikament zur Verhinderung einer Infektion mit dem Virus ein.2 Bei bereits erfolgter HIV-Exposition, z.B. bei Verletzungen mit einer HIV-kontaminierten Spritze, besteht die Möglichkeit einer Post-Expositionsprophylaxe, kurz PEP. Dazu sollten schnellstmöglich nach der Exposition sowie 4 Wochen im Anschluss daran täglich die entsprechenden HIV-Medikamente eingenommen werden.3
Im Hinblick darauf, dass 3/4 der Neuinfizierten in Afrika und Asien Mädchen und Frauen sind, sind spezifische Präventionsmethoden für die Betroffenengruppe wichtig. Ein viel versprechender Ansatz scheint die Entwicklung von Mikrobiziden zu sein, chemische Substanzen, die Frauen vaginal oder rektal anwenden können, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen.
Die Virusvermehrung hemmen
Vor 20 Jahren gab es ein einziges Medikament gegen HIV, heute sind mehr als 16 Einzelsubstanzen (www.rki.de) aus vier Medikamentenklassen verfügbar. Die Wirkstoffe setzen an verschiedenen Stellen des Vermehrungszyklus des Virus an. Kombiniert verabreicht, können sie die Viruskonzentration im Blut unter die Nachweisgrenze senken, die Zahl der T-Helferzellen steigt wieder an und die durch HIV verursachten Symptome verschwinden größtenteils wieder. Nach dem derzeitigen Stand des Wissens ist es notwendig, die Medikamente lebenslang einzunehmen. Die Medikamente können die Viren zurückdrängen – heilen können sie die HIV-Erkrankung nicht. Sie tragen allerdings dazu bei, eine HIV-Infektion zu einer behandelbaren Krankheit zu machen.
Um sich in der Zelle vermehren zu können, dockt das HI-Virus an eine T-Helferzelle, die ein wichtiger Teil des menschlichen Immunsystems ist. So genannte „Fusionshemmer“ können die Verbindung des Virus mit den Korezeptoren oder den Hüllproteinen der Zelle blockieren. Bildquelle: Roche
Der erste Wirkstoff gegen HIV, Azidothymidin, kurz AZT, wurde im Jahr 1987 zugelassen. Es zählt zur Klasse der Nukleosidanaloga und hemmt die Reverse Transkriptase, ein Enzym, ohne das sich die Viren nicht in der menschlichen Zelle einnisten können. Bis Mitte der 1990er Jahre waren ausschließlich Substanzen aus dieser Medikamentenklasse verfügbar; sie wurden einzeln oder in Zweierkombinationen zur Therapie verwendet. Die Anzahl der Viren im Blut ließ sich auf diese Weise vorübergehend senken, für die Patienten bedeutete dies eine Lebensverlängerung von ein bis drei Jahren. Weil die Vermehrung der Viren aber nur unvollständig unterbunden werden konnte, kam es rasch zu Resistenzen: Die Viren entwickelten Mechanismen, mit denen sie der Wirkung der Medikamente widerstehen und sich weiterhin vermehren können.
In der Zelle muss die Virus-RNS, die dessen Erbanlagen trägt, in DNS übersetzt werden, damit die Wirtszelle die Virusgene in ihrem Zellkern vermehren kann. Dies erledigt die Reverse Transkriptase. Bestimmte Wirkstoffe verhindern nun entweder diese Übersetzung oder das Eindringen der DNS in den Zellkern. Bildquelle: Roche
Im Jahr 1995 wurde der erste Vertreter einer neuen Medikamentenklasse, der Proteaseinhibitoren, zugelassen. Proteaseinhibitoren hemmen (inhibieren) ein weiteres Enzym des Virus, die Protease. Damit wurde das bis heute gebräuchliche Konzept der „hochaktiven antiretroviralen Therapie“, kurz HAART, möglich. Bei dieser Behandlungsstrategie werden drei oder mehr Einzelsubstanzen aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen gleichzeitig verabreicht. Das Ziel ist, die Vermehrung der Viren möglichst vollständig zu unterdrücken. Denn je wirksamer dies gelingt, desto geringer ist die Gefahr, dass sich die Viren genetisch verändern, auf diese Weise Resistenzen entwickeln und der Medikamentenwirkung entgehen.
Mittlerweile gibt es für die Kombinationstherapie noch zwei weitere Medikamentenklassen. Die so genannten Nicht-Nukleosidanaloga hemmen ebenfalls das Enzym Reverse Transkriptase, benutzen dazu jedoch einen anderen Weg. Die Fusionshemmer greifen das Virus an, bevor es menschliche Zellen befällt. Sie setzen somit am frühesten Punkt des Lebenszyklus eines HI-Virus an und hindern es daran, in die Zelle einzudringen, mit ihr zu fusionieren.
Therapieerfolge
Das Ziel der Kombinationstherapie ist, die Virusmehrung weitgehend zu unterbinden und möglichst lange zu verhindern, dass die Viren gegen die Medikamente resistent werden. Dazu wird während der Therapie in regelmäßigen Abständen bestimmt, wie hoch die Viruskonzentration im Blut ist und wie viele T-Helferzellen vorhanden sind. Verläuft die medikamentöse Behandlung erfolgreich, geht die Viruskonzentration im Blut drastisch zurück, die Anzahl der T-Helferzellen steigt und die durch HIV verursachten Symptome verschwinden weitestgehend.
Das Enzym Protease sorgt dafür, dass die Einzelteile der neu entstandenen Viren zusammengesetzt werden. Nur dann können die Viren aus ihrer Wirtszelle ausknospen. Hier setzen die Proteasehemmer an: Sie blockieren die Proteasen und damit den Zusammenbau intakter HI-Viren. Bildquelle: Roche
Dazu ist es notwendig, die Medikamente konsequent und regelmäßig einzunehmen. Experten gehen davon aus, dass die Lebensdauer von HIV-infizierten Menschen mit den heute verfügbaren Medikamenten sowie den neuen Wirkstoffen, die derzeit entwickelt werden, an die Lebensdauer von Nicht-Infizierten angeglichen und den Betroffenen ein fast normales Leben ermöglicht werden kann.
Die Behandlung und Betreuung HIV-infizierter Menschen gehört in die Hand spezialisierter Ärzte. In den meisten deutschen Großstädten gibt es heute HIV-Klinikambulanzen oder -Schwerpunktpraxen.
Forschungsschwerpunkte
An zusätzlichen Medikamenten, mit denen aufkommende Resistenzen der Viren überwunden werden können, die eine einfachere Behandlung mit weniger Tabletten ermöglichen und weniger Nebenwirkungen haben, wird derzeit gearbeitet. Die Wirkstoffe gehören zum Teil den bekannten Medikamentenklassen an, wirken aber effektiver und haben ein besseres Resistenzprofil.
Auch Medikamente mit gänzlich neuen Wirkmechanismen werden erforscht. Als interessantes neues Angriffsziel gilt beispielsweise der HIV-Korezeptor CCR5. Um in die menschliche Zelle einzudringen, nutzt das HI-Virus so genannte CD4-Rezeptoren. Damit das Virus erfolgreich an den CD4-Rezeptor binden kann, ist es jedoch quasi auf Schlüssel angewiesen, die ihm die Tür öffnen. Diese Schlüssel werden wissenschaftlich „Korezeptoren“ genannt. Zu ihnen zählt der Korezeptor CCR5. Schon lange ist bekannt, dass Menschen, die aufgrund einer genetischen Besonderheit keine CCR5-Korezeptoren auf ihren Zellen ausbilden, widerstandsfähiger gegen das HI-Virus sind. Diese Beobachtung nutzen Wissenschaftler, um neue Wirkstoffe gegen HIV zu entwickeln. Derzeit wird geprüft, ob die Substanzen tatsächlich imstande sind, CCR5-Korezeptoren und weitere „Schlüssel“, mit denen sich HIV Zutritt zu den Zellen verschafft, zu blockieren.
Die Forscher hoffen außerdem auf „Integrase-Inhibitoren“, die den Einbau – die Integration – des Viruserbguts in die menschliche Erbsubstanz unterdrücken sollen.
Erforscht wird derzeit nicht nur, wie die Viruslast im Körper gesenkt werden kann, sondern auch, ob sich das menschliche Immunsystem gezielt so anregen lässt, dass es imstande ist, dem Überfall der Viren besser standzuhalten.
Nach aktuellen Schätzungen des Robert Koch-Instituts in Berlin lebten bis Ende 2020 in Deutschland zwischen circa 91.400 Menschen mit HIV/AIDS. Für das Jahr 2020 wird von insgesamt 2000 neuen HIV-Infektionen ausgegangen, davon weniger als 10 durch eine Übertragung von Mutter zu Kind. Überwiegend betroffen sind junge Erwachsene in der Altersgruppe von 25-40 Jahren. Auch in Deutschland sind trotz der seit 1996 deutlich verbesserten Therapie 2020 noch immer rund 380 Menschen an den Folgen einer Infektion mit dem HI-Virus gestorben.1 Weltweit sind nach Schätzungen des Programms UNAIDS 37,7 Millionen Menschen (Stand: 2020) mit HIV infiziert.2
Ein Mensch, der mit HIV infiziert ist, ist sein Leben lang ansteckungsfähig. Besonders hoch ist das Ansteckungsrisiko in den ersten Wochen nach der Infektion. Auch wenn das Virus eine erfolgreiche Therapie im Blut nicht mehr nachzuweisen ist, ist ein HIV-infizierter Mensch noch ansteckend.
Weltweit sind nahezu die Hälfte aller von HIV/Aids betroffenen Menschen Mädchen und Frauen. Wie erklärt sich das?
Biologisch gesehen haben Frauen, die ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Mann haben, ein höheres Infektionsrisiko als Männer, die ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Frau haben. Hinzu kommt, dass Frauen in vielen Ländern nicht die gesellschaftliche Stellung haben, um die Bedingungen zu bestimmen, unter denen Sexualverkehr stattfinden soll, insbesondere darauf zu bestehen, dass Männer ein Kondom benutzen. Auch sexuelle Gewalt in Kriegs- und Konfliktsituationen erhöht das HIV-Infektionsrisiko für Frauen. Die UN-Initiative „The Global Coalition on Women and Aids“ hat sich zum Ziel gesetzt, über die besondere Situation von Frauen aufzuklären und die Gefahr einer Aids-Erkrankung für Frauen und Mädchen weltweit zu verringern.
Biologisch gesehen haben Frauen, die ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Mann haben, ein höheres Infektionsrisiko als Männer, die ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Frau haben. Hinzu kommt, dass Frauen in vielen Ländern nicht die gesellschaftliche Stellung haben, um die Bedingungen zu bestimmen, unter denen Sexualverkehr stattfinden soll, insbesondere darauf zu bestehen, dass Männer ein Kondom benutzen. Auch sexuelle Gewalt in Kriegs- und Konfliktsituationen erhöht das HIV-Infektionsrisiko für Frauen. Die UN-Initiative „The Global Coalition on Women and Aids“ hat sich zum Ziel gesetzt, über die besondere Situation von Frauen aufzuklären und die Gefahr einer Aids-Erkrankung für Frauen und Mädchen weltweit zu verringern.
Bei alltäglichen sozialen Kontakten mit HIV-Infizierten, beispielsweise in Kindergarten und Schule oder am Arbeitsplatz, ist eine Ansteckung nicht zu befürchten. Dies gilt vom Händeschütteln über das gemeinsame Benutzen von Besteck, Geschirr und Gläsern bis hin zum gemeinsamen Schwimmbad- oder Saunabesuch. Auch durch Anhusten oder Anniesen, wie für Erkältungs- und Grippeviren typisch, ist eine Ansteckung mit HIV nicht möglich.
Bei einer medizinischen Behandlung, die es notwendig macht, Blut oder Blutprodukte zu verwenden, bestand in der Vergangenheit auch in Deutschland die Gefahr, sich mit HIV zu infizieren. Seit 1985 müssen alle Blutspenden auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen HIV untersucht werden. Im Jahr 2004 hat es der Gesetzgeber zur Pflicht gemacht, Blutspenden auch auf das Vorhandensein von HIV-Erbmaterial zu testen.
Diese auf hochempfindlichen molekularen Verfahren aufbauenden PCR-Tests erlauben es, eine HIV-Infektion sehr früh nachzuweisen. Bereits in den Jahren vor 2004 hatten die Blutspendedienste den direkten Nachweis von Viren-Erbmaterial nach und nach eingeführt. Dank dieser Maßnahmen kann die Übertragung von HIV durch Bluttransfusionen heute nahezu ausgeschlossen werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion durch Bluttransfusionen liegt bei 1 zu 1 Million. Das gilt auch für Blutplasma und daraus hergestellte Produkte, etwa Gerinnungsfaktoren für Bluterkranke.
Vorsicht bei der Übertragung von Blut oder Blutprodukten ist jedoch weiterhin in Ländern geboten, in denen keine oder unzureichende Kontrollen erfolgen.
Kinder können von ihren infizierten Müttern im Mutterleib, während der Geburt und beim Stillen angesteckt werden. Eine Übertragung von HIV kann jedoch verhindert werden, wenn in den letzten Wochen der Schwangerschaft eine konsequente antiretrovirale Therapie eingehalten wird, die Entbindung per Kaiserschnitt erfolgt, das Kind nicht gestillt wird und der Säugling zwei bis sechs Wochen vorsorglich mit Medikamenten gegen HIV behandelt wird. Mithilfe dieser medizinischen Maßnahmen kann die Rate der Mutter-Kind-Übertragungen auf weniger als 1 Prozent gesenkt werden. Ohne risikovermindernde Maßnahmen stecken sich 20 Prozent der Kinder bei ihren HIV-positiven Müttern an.
Ob ein Ansteckungsrisiko bestanden hat, lässt sich am besten in einem Gespräch mit einem Arzt, beim Gesundheitsamt oder einer Aids-Beratungsstelle klären. Im Zweifelsfall kann nur ein HIV-Test endgültige Gewissheit geben.
Ein HIV-Test darf nicht ohne das Wissen und das Einverständnis des zu Testenden durchgeführt werden, erfolgt also immer auf freiwilliger Basis. Niemand darf einen anderen Menschen zu einem Test zwingen. In den Beratungsstellen der Gesundheitsämter besteht die Möglichkeit, einen anonymen HIV-Test durchführen zu lassen. Der Befund wird außer dem Testenden niemand anderem mitgeteilt und auch in keiner Patientenakte eingetragen.
Das Wissen um eine HIV-Infektion ermöglicht den rechtzeitigen Zugang zu wirksamen Behandlungsmöglichkeiten. Zudem kann innerhalb von 24 bis maximal 72 Stunden nach dem potentiell gefährlichen Ereignis eine PEP sinnvoll sein, um ein Festsetzen des Virus im Körper abzuwenden (siehe PEP).4
Kondome verwenden, insbesondere bei neuen oder wechselnden Sexualpartnern.
Bluttransfusionen in Ländern, in denen Kontrollen nicht oder nicht lückenlos erfolgen, meiden. Das gilt auch für jede medizinische Versorgung, die mit Blut oder dem Einsatz von Spritzen zusammenhängt. Wenn möglich, die Behandlung erst zu Hause vornehmen lassen.
Drogenabhängige Menschen, die Drogen ins Blut spritzen, sollten Einmalspritzen verwenden, die in jeder größeren Stadt kostenlos abgeben werden.
Einnahme einer PrEP bei Zugehörigkeit zu einer der Risikogruppen kann die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit dem HI-Virus verringern (siehe PrEP).3
Schwangere Frauen, die mit HIV infiziert sind, sollten via Kaiserschnitt entbinden und auf das Stillen des Neugeborenen verzichten.
Die PrEP (Prä-Expositionsprophylaxe) ist eine Präventionsmaßnahme. HIV-Negative mit hohem Ansteckungsrisiko nehmen dabei vorbeugend ein HIV-Medikament ® ein, um eine Ansteckung zu verhindern. In der Regel wird die tägliche Einnahme einer Tablette über einen längeren Zeitraum verordnet, womit 2 bzw. 7 Tage (Männer bzw. Frauen) vor dem Geschlechtsverkehr begonnen wird.
Bei Verwendung der PrEP ist eine konsequente medizinische Begleitung mit regelmäßigen PrEP-Checks notwendig, um u.a. die Nierenwerte und eine Ansteckung mit weiteren STDs zu überprüfen.3
Die PEP (Post-Expositionsprophylaxe) ist dagegen eine Notfallmaßnahme, wenn der Kontakt mit dem Virus bereits erfolgte. Daher sollte damit am besten innerhalb von 24 Stunden nach der potentiellen HIV-Exposition begonnen werden, jedoch höchstens 72 Stunden danach. Bei Einnahmebeginn innerhalb der ersten 2 Stunden werden die besten Ergebnisse erzielt. Es folgt eine 4-wöchige Therapie mit Einnahme einer Kombination von HIV-Medikamenten. Die PEP ist gut verträglich, kann aber von Nebenwirkungen begleitet werden.4
Mikrobizide sind chemische Substanzen, die Frauen vaginal oder rektal anwenden können, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Sie sollen wie chemische Barrieren zwischen den HI-Viren und den Schleimhäuten wirken; einige Mikrobizide enthalten zusätzlich antiretrovirale Substanzen. Verschiedene Mikrobizide werden in (vor)klinischen Studien weltweit getestet.
Einen Impfstoff (Vakzine) gegen HIV zu entwickeln, ist sehr schwierig, weil sich die Viren außerordentlich rasch verändern. Die Experten gehen derzeit nicht davon aus, dass ein Impfstoff in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen wird.
Die Aussichten, HIV in absehbarer Zeit aus dem Körper zu eliminieren – die Infektion also zu heilen – sind nach Ansicht der Experten gering. Sämtliche Ansätze zielen derzeit auf eine lebenslange Therapie, wobei es künftig verstärkt darauf ankommen wird, die Nebenwirkungen zu verringern, Therapien zu vereinfachen und die Resistenzentwicklung durch eine qualifizierte Therapieüberwachung zu verhindern.
RKI Epidemiologisches Bulletin, Nr. 47/2021
UNAIDS Fact Sheet 2020
Positiv schwanger (deutsch / englisch / französisch / spanisch), 6. Auflage, 2021 (https://www.aidshilfe.de/shop/pdf/12229)
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