Das Leben mit Diabetes kann manchmal ganz schön anstrengend sein – für den Körper, aber auch für die Seele. Blutzuckermessen, Arzttermine, Mahlzeiten planen, auf einen gesunden Lebensstil achten: Diabetes ist ein 24 Stunden-Job, der keine Pause macht. Zum Leben mit Diabetes gehören die guten Momente mit Werten im grünen Bereich und dem Gefühl, alles im Griff zu haben. Aber es gibt auch die Momente, die belastend und verletzend sind. Das können Ängste und Unsicherheiten wegen schlechter Werte sein, komische Blicke von Außenstehenden beim Blutzuckermessen oder auch das Gefühl, dass einem alles zu viel wird. Diese Hochs und Tiefs gehören einfach dazu und sind kein Grund, sich schuldig oder schlecht zu fühlen. Oder anders gesagt: Es ist OK, nicht immer OK zu sein.
Hanna Boëthius
Schweiz, Typ-1-Diabetes
Jamie Knight
Vereinigtes Königreich, Typ-2-Diabetes
Finnja Schwiebert
Deutschland, Typ-1-Diabetes
Phyllisa Deroze
USA, LADA (Autoimmundiabetes bei Erwachsenen)
Amber Clour
USA, Typ-1-Diabetes
Es ist an der Zeit, dass die Menschen besser über das Thema mentale Gesundheit bei Diabetes Bescheid wissen. Deshalb ist Aufklärung so wichtig: sei es zum Tag der seelischen Gesundheit (10.10.), dem Weltdiabetestag (14.11.) oder zu jedem anderen Zeitpunkt des Jahres. Manchmal hilft es Betroffenen schon, offen darüber sprechen zu können, wenn man sich nicht gut fühlt – und zu wissen, dass man nicht alleine ist. Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten, die mentale Gesundheit im Alltag zu stärken, wie auch
1/3 aller Menschen mit Diabetes sind von psychischen Problemen betroffen1, jeder 2. Fall bleibt unentdeckt.2
80% der Menschen mit Diabetes wurden aufgrund ihrer Erkrankung bereits verurteilt, bloßgestellt oder anders behandelt.4
Rund 1/4 aller Menschen mit Diabetes leiden an depressiven Verstimmungen.3
Menschen mit Diabetes haben ein doppelt so hohes Risiko, an einer Depression zu erkranken.2
Dipl.-Psych. Susanne Baulig, Leiterin des Schwerpunkts Psychodiabetologie an der Poliklinischen Institutsambulanz für Psychotherapie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, über die Ursachen psychischer Probleme bei Diabetes, warum Aufklärung so wichtig ist und wie man seine seelische Gesundheit stärken kann.
Starke negative Gefühle in Bezug auf Diabetes (u.a. Wut, Frust, Angst)
Unbehagen, vor anderen Blutzucker zu messen oder sich zu spritzen
Ausgeprägte Stimmungsschwankungen
Verändertes Schlafverhalten
Das wichtigste zuerst: Wenn man sich einmal nicht gut fühlt, ängstlich oder niedergeschlagen ist oder einfach Tage hat, an denen man an seinem Diabetes verzweifeln möchte, ist das noch kein Grund zur Sorge. Wenn man allerdings bemerkt, dass sich dunkle Gedanken dauerhaft einschleichen oder man bei sich bzw. bei anderen eine dauerhafte Veränderung der Persönlichkeit beobachtet, ist es wichtig, offen darüber zu sprechen und sich professionelle Hilfe zu holen.
Jeder vierte Mensch mit Diabetes leidet unter depressiven Verstimmungen.3 Betroffene sind oftmals über einen längeren Zeitraum hinweg niedergeschlagen, antriebs- und lustlos, erschöpft und traurig. Es handelt sich dabei um ein seelisches Tief, das deutlich stärker ist als schlechte Laune oder eine temporäre melancholische Stimmung. Dieser belastende Gemütszustand erfüllt noch nicht die Kriterien einer psychischen Erkrankung, kann aber chronisch werden und sich zu einer Depression entwickeln, wenn man nichts dagegen unternimmt.
Die täglichen Anforderungen, die das Leben mit Diabetes mit sich bringt, können zu einer emotionalen Dauerbelastung und damit zu Dauerstress führen. In der Fachwelt spricht man dann von „Diabetes-Distress“. Mögliche Folgen sind unter anderem eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels durch eine vermehrte Ausschüttung des Stresshormons Kortisol, eine sinkende Therapiemotivation oder ein diabetesbedingter Burnout.
Ein Diabetes-Burnout wird häufig als Gefühl der Hoffnungslosigkeit oder Resignation beschrieben, das zu einer Vernachlässigung bis hin zum Ignorieren der Therapie führen kann. Betroffenen fällt es zunehmend schwer, ihre Werte zu kontrollieren, sich Insulin zu spritzen, Medikamente einzunehmen und Arzttermine wahrzunehmen. Ein Diabetes-Burnout ist oftmals die Folge eines dauerhaften Diabetes-Distress.
Menschen mit Typ-1-Diabetes haben ein doppelt so hohes Risiko, an einer Essstörung (auch als „Diabulemie“ bekannt) zu erkranken.5 Ein häufiges Merkmal: Betroffene verwenden zu wenig oder gar kein Insulin mehr, um möglichst viel Gewicht zu verlieren. Darüber hinaus können unter anderem Ängste hinsichtlich des eigenen Körperbilds (Body Image Anxiety) und ein Hang zu ungesunden Diäten sowie exzessivem Training auftreten. Eine Essstörung wirkt sich nicht nur negativ auf den Körper und die Blutzuckereinstellung aus, sondern ist zugleich eine starke Belastung für die Psyche.
Übertriebene, fast täglich auftretende Ängste und Sorgen werden als Angststörungen bezeichnet. Bei Menschen mit Diabetes können das etwa Ängste vor Unterzuckerungen (Hypoglykämien), möglichen Folgeerkrankungen oder auch vor Reaktionen anderer auf Blutzuckermessen bzw. Insulinspritzen in der Öffentlichkeit sein. Mögliche Anzeichen sind unkontrollierte Nervosität und Besorgnis, Zittern, Muskelverspannungen, Reizbarkeit und Panikattacken.
Menschen mit Diabetes sind doppelt so häufig von Depressionen betroffen.2 Da Diabetes durch den schwankenden Blutzucker und hormonelle Veränderungen auch die Stimmung und das Denken beeinflussen kann, ist es hier gar nicht so einfach, eine beginnende Depression zu erkennen. Als Faustregel gilt: Wer bei sich selbst oder bei anderen über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen dauerhaft Symptome wie Unruhe, zu viel oder zu wenig Essen, Kopfschmerzen und/oder Gefühle von Wertlosigkeit beobachtet, sollte dies als wichtige Hinweise ernst nehmen.
Finnja Schwiebert lebt seit über zwei Jahren mit Typ-1-Diabetes und teilt ihre Erfahrungen auf Instagram und TikTok. Sie erzählt, wie sie mit dem Thema mentale Gesundheit umgeht, welche Situationen belastend sind und was sie sich von der Gesellschaft wünscht.
Die gute Nachricht: Man kann selbst einiges dafür tun, um das eigene Wohlbefinden im Alltag mit Diabetes zu steigern und die psychische Gesundheit zu stärken. Was das genau ist, hängt stark von den individuellen Bedürfnissen und Vorlieben ab.
Diabetes verursacht häufig Stress, der sowohl den Blutzuckerspiegel als auch die Psyche beeinflussen kann. Hier können Techniken zur Stressbewältigung helfen wie Meditation, Yoga, tiefes Atmen oder Übungen zur Muskelentspannung. Auch ausreichend Schlaf und sportliche Aktivitäten wie eine Runde Laufen oder ein Spaziergang an der frischen Luft können dazu beitragen, das Stresslevel zu senken und das Wohlbefinden zu stärken. Egal für was man sich entscheidet: Wichtig ist, dass es persönlich positiv besetzte Aktivitäten sind, die sich gut in den Alltag integrieren lassen. So fällt es leichter, am Ball zu bleiben und sich dauerhaft etwas Gutes zu tun.
Betroffene können die Herausforderungen, die das Leben mit Diabetes mit sich bringt, am besten verstehen. Deshalb ist ein Austausch in Communities und Selbsthilfegruppen so wertvoll und sorgt dafür, sich mit seinen Ängsten und Sorgen weniger allein zu fühlen. Manchmal reicht es schon aus, sich alles von der Seele reden zu können. Oder man motiviert sich gegenseitig und unterstützt sich mit hilfreichen Tipps, wie das seelische Wohlbefinden gestärkt werden kann. Hier eine Auswahl an empfehlenswerten Selbsthilfegruppen und Communities:
Es gibt heute zahlreiche Apps und neue Technologien, die für Entlastung im Alltag mit Diabetes sorgen. Dazu zählt die
In Deutschland gibt es Psychotherapeut:innen, die sich auf die Fachrichtung Diabetes spezialisiert haben und so die ideale Anlaufstelle sind, wenn man das Gefühl hat, professionelle Hilfe zu brauchen. Hier geht es zur praktischen Suchfunktion:
Quellen:
1 https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcdhc.2022.1039192/full
2 https://www.mhanational.org/diabetes-and-mental-health#4
3 https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/gefaehrliches-duo-diabetes-und-depression.php
4 https://www.languagemattersdiabetes.com/_files/ugd/09baf1_b597e478ee5548c199136070607318d9.pdf
5 https://diabetes.org/healthy-living/mental-health/eating-disorders
*Die hier geäußerten Ansichten, Gedanken und Meinungen sind persönlich und repräsentieren nicht notwendigerweise die Ansichten, Gedanken und Meinungen von Roche. Dieser Inhalt ist nicht als medizinischer oder psychischer Rat zu verstehen und sollte auch nicht als Grundlage für eine medizinische/psychische Diagnose oder Behandlung herangezogen werden. Roche bietet keine medizinische oder psychische Beratung. Lassen Sie sich immer von einem Arzt oder einer anderen qualifizierten medizinischen Fachkraft zu Fragen der medizinischen/psychischen Gesundheit beraten. Medizinische/psychische Gesundheitssymptome sowie ärztliche/psychische Beratung, die zuvor von einem Arzt oder einer anderen qualifizierten medizinischen Fachkraft eingeholt wurde, dürfen auf der Grundlage dieses Inhalts nicht ignoriert werden.
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