Biomarker bringen Licht ins Dunkel. Sie decken wichtige, bisher verborgen gebliebene Hinweise auf Erkrankungen im Körper von Patienten auf – sie sind molekulare Whistleblower. Mit Hilfe der neuen, „geleakten“ Daten ist es möglich, eine Krankheit in unterschiedliche Subgruppen einzuteilen. So können Patienten eine auf ihre molekulargenetischen Eigenschaften zugeschnittene Behandlung erhalten.
Eine allgemeingültige Standardtherapie für alle Patienten gehört damit in der an Biomarkern orientierten („zielgerichteten“) Krebstherapie der Vergangenheit an. Individuelle Hinweise im Körper der Patienten entscheiden, wer von welcher Therapie am meisten profitieren kann. Das bedeutet: Biomarker sind von entscheidender Bedeutung, um eine Behandlung individuell anzupassen. Doch was genau sind Biomarker eigentlich? Und warum sind sie gerade in der Krebsmedizin so wertvoll?
Ein Biomarker ist ein biologisches Merkmal, das im Blut oder in Gewebeproben gemessen und bewertet werden kann. Er zeigt krankhafte Veränderungen auf, kann aber auch biologisch normale Prozesse im Körper nachweisen. (1) Biomarker kommen bereits seit langer Zeit zum Einsatz: Beispielsweise ist die Körpertemperatur ein Biomarker für Fieber und der Blutzuckerspiegel relevant für Diabetiker. Auch der Cholesterinspiegel im Blut ist ein Indikator, der Auskunft über ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt.
Durch das immer tiefergehende Verständnis von Erkrankungen stehen mehr und mehr solcher Biomarker zur Verfügung. Kommen sie in der Onkologie zum Einsatz, sprechen Experten auch von Krebs- oder Tumormarkern.
Die Onkologie hält mit 50 Prozent den größten Anteil an allen Studien mit Biomarker-Prüfung. Mehr als jede dritte onkologische Studie (37 Prozent) wird unter Verwendung von Biomarkern durchgeführt. Weitere wichtige Indikationen sind Herz-Kreislauf- und Muskelerkrankungen sowie die Immunologie. (Quelle: von Holleben M, et al.: Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2011)
Tumormarker liefern wichtige Hinweise auf Krebs, da sie entweder nur bei einer Tumorerkrankung zu finden sind oder weil sie bei Krebspatienten in anderer Konzentration als bei Gesunden vorliegen. Onkologische Biomarker können entweder Bausteine von Krebszellen selbst, deren Stoffwechselprodukte oder Gene, also bestimmte Teile unserer DNA, sowie spezielle Proteine, aber auch ganze Zellen sein.
Allerdings sind noch längst nicht für jede Krebsart Tumormarker bekannt. Und selbst wenn für eine Krebsform spezifische Marker bekannt sind, reagieren viele nicht nur auf Krebs: Andere Ursachen, wie Entzündungen oder Rauchen können die Ergebnisse bestimmter Marker verfälschen. Das heißt auch: Ein einzelner abweichender Messwert beweist nicht notwendigerweise, dass ein Mensch an Krebs erkrankt ist.
CEA (karzinoembryonales Antigen):
Dieser Biomarker wird vor allem bei Dickdarm- und Enddarmkrebs bestimmt und spielt eine wichtige Rolle bei der Prognose, Therapiekontrolle und Nachsorge. Jedoch kann dieser Wert auch bei Entzündungen oder insbesondere einer Leberzirrhose erhöht sein.
hCG (Choriongonadotropin):
Normalerweise wird dieser Wert in Verbindung mit einer Schwangerschaft gemessen. Ist der Wert auch unabhängig davon erhöht, kann dies auf einen Keimzelltumor hinweisen – oder auf das Hepatoblastom bei Kindern. Bei diesen Tumoren sind die Werte vor allem bei der Verlaufskontrolle und Therapieüberwachung wichtig.
PSA (prostataspezifisches Antigen):
PSA wird, wie der Name sagt, in der Prostata gebildet. Erhöhte Spiegel können auf ein Prostatakarzinom hinweisen. Die Aussagekraft zur Früherkennung des Tumors ist trotz zahlreicher Studien bisher noch nicht bestätigt.
Ein Tumormarker steht für eine bestimmte Eigenschaft, Veränderung bzw. Mutation des Tumors. Die Identifizierung dieser charakteristischen Merkmale ermöglicht es, die passende, individuelle Behandlung für den Patienten auszuwählen. Diese zielgerichteten Therapien (engl.: targeted therapies) greifen, im Gegensatz zu vielen Standardtherapien, ganz gezielt an den Schwachstellen des Tumors an und hemmen beispielsweise das Wachstum der Tumorzellen. Das heißt: Die Behandlung ist nur bei Patienten, die das bestimmte Merkmal – den Biomarker – aufweisen, wirkungsvoll.
Seit Ende der 1990er Jahre stehen zielgerichtet wirkende Arzneimittel zur Verfügung. Ihre Wirkung richtet sich gegen ausgewählte Angriffspunkte auf oder in der Tumorzelle. Dadurch werden gezielt Signalwege unterbunden, mit denen die Tumorzelle ihr Wachstum steuert und sich vermehrt. Zu der Gruppe der zielgerichtet wirkenden Arzneimittel zählen z. B. monoklonale Antikörper.
Im Jahr 2000 wird der erste Antikörper zur Therapie gegen Brustkrebs in Deutschland zugelassen und markiert den Beginn eines neuen Kapitels in der Bekämpfung von soliden Tumoren. Gerade für HER2-positiven Brustkrebs war dies ein wichtiger Fortschritt, der die Prognose für die betroffenen Frauen deutlich verbesserte. Heute wird der Antikörper als Standardtherapie sowohl im frühen als auch im fortgeschrittenen Stadium des HER2-positiven Brustkrebses eingesetzt. Die Wirkung kann mit einem weiteren Antikörper verstärkt werden. Heutzutage steht außerdem für die HER2-Antikörpertherapie im fortgeschrittenen Stadium einer Brustkrebserkrankung ein ganz neuer zielgerichteter Wirkstoff, ein sogenanntes Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, zur Verfügung. Dabei werden die Therapieprinzipien der HER2-Antikörpertherapie und der Chemotherapie darauf abzielend miteinander kombiniert, die Wirkung der Chemotherapie genau auf die Krebszellen zu fokussieren. Diese hochwirksame Therapie verursacht gleichzeitig weniger unerwünschte Nebenwirkungen. Eine HER2-Antikörpertherapie stellt aber nicht nur beim Mammakarzinom eine geeignete Therapie dar. Auch bei Patienten mit fortgeschrittenem HER2-positivem Magenkarzinom wird die Behandlung mit einem gegen HER2-gerichteten Antikörper eingesetzt.
Eine Veränderung innerhalb von Krebszellen, die das Tumorwachstum beschleunigen können, ist die so genannte EGFR-Mutation. Tumoren mit einer EGFR-Mutation können mit zielgerichteten Medikamenten, den EGFR-Inhibitoren aus der Gruppe der Tyrosinkinase-Hemmer, behandelt werden: Diese Medikamentengruppe blockiert einen Signalweg innerhalb der Krebszellen, der zur unkontrollierten Vermehrung der Zellen führt. Durch die Blockade können keine Signale mehr zur Zellteilung übermittelt werden. Die Vermehrung der Zellen wird gebremst und das Wachstum des Tumors verlangsamt. Die medikamentöse EGFR-Inhibition hat sich bei Patienten mit einem EGFR-positiven fortgeschrittenem NSCLC (nichtkleinzelliges Lungenkarzinom) inzwischen als ein erfolgversprechendes Therapiekonzept etabliert.
Ein kleines Molekül macht große Hoffnung: Mit der Entdeckung der Bedeutung molekularer Mechanismen für die Entstehung von Krebs konnten Wissenschaftler in den vergangenen Jahren einen entscheidenden Grundstein für die Erforschung neuer Therapien legen. Davon profitieren jetzt auch Patienten mit schwarzem Hautkrebs, für die es bisher nur wenig Hoffnung gab. Grundlage dieser neuen zielgerichteten Therapie beim metastasierten malignen Melanom ist ein „small molecule“ – ein kleines Molekül –, das direkt in der Tumorzelle in Wachstumsvorgänge eingreift und Signalwege blockiert, die durch sogenannte „BRAF-Mutationen“ überaktiviert sind. Inzwischen konnten beim malignen Melanom weitere Fortschritte in der Therapie gemacht werden und sogenannte „Kombinationstherapien“ etabliert werden, die an jeweils verschiedenen Stellen des Signalweges angreifen.
Patienten mit einer sogenannten ALK-Translokation bilden eine genetische Untergruppe der Lungenkrebspatienten. Diese Veränderung innerhalb der Zellen kann das Tumorwachstum beschleunigen. Um die Ausbreitung des Tumors zu stoppen, greifen Ärzte zu ALK-Inhibitoren aus der Gruppe der Tyrosinkinase-Hemmer. Etwa 2-5% der Lungenkrebspatienten sind ALK-positiv (2).
Ähnlich wie beiALKführen sogenannte
Ein Meilenstein bei der Erforschung von Krebserkrankungen und -medikamenten ist die Entdeckung des molekulargenetischen Markers
Die Entwicklung ist noch lange nicht am Ende. In klinischen Studien werden zahlreiche weitere Moleküle auf ihre Wirksamkeit als zielgerichtete Therapien überprüft – auch in Therapiebereichen außerhalb der Onkologie.
Referenzen
Bergethon K et al., J Clin Oncol 2012;30:863–70
Dugay F et al., Oncotarget 2017; 8: 53336–51
Davies KD, Doebele RC. Clin Cancer Res 2013; 19 (15): 4040–45
Shaw AT et al., NEJM 2014; 370: 13: 1189–97
Felip E et al., Annals of Oncology (2014) 25 (suppl_4): iv426-iv470ESMO 2014
Cocco E et al., Nature Reviews Clinical Oncology 2018; 15: 731-47
Eine Behandlung, die nur bei wenigen Menschen effektiv ist – paradox bei der großen Anzahl an Krebspatienten? Ganz im Gegenteil, denn mit Hilfe der Biomarker ist sichergestellt, dass individuelle Merkmale im Erbgut des Patienten oder krankheitsspezifische Faktoren, welche die Wirkungsweise von Medikamenten beeinflussen, erkannt werden. Diese Veränderungen der Krebszellen können spezifisch angegriffen werden. Individuell potentiell wirkungslose Behandlungen können so vor Therapiebeginn identifiziert werden. Dieses Vorgehen unterstützt nicht nur den Ansatz der
schwere Krankheitsverläufe, weil nicht rechtzeitig wirksam eingegriffen wird
schwere Nebenwirkungen durch nicht-zielgerichtete Therapien (z.B. Chemotherapien) und dadurch bedingt zusätzlich benötige Maßnahmen, wie Krankenhauseinweisungen oder weitere Medikamente
Das heißt: Biomarker identifizieren die Schwachstellen von Tumorzellen. Sie geben der Forschung konkrete Hinweise zur Entwicklung gezielter Therapien. Andere Biomarker können vorhersagen, ob eine bestimmte Behandlungsmethode wirkt oder geben Auskunft über den Verlauf der Erkrankung. (3)
Biomarker werden also nach ihren Funktionen unterteilt – können aber auch mehrere Eigenschaften in sich vereinen. Sie können sowohl wegweisend für Therapieentscheidungen sein als auch prädiktiven und prognostischen Wert haben.
Durch den Nachweis oder das Fehlen von bestimmten physiologischen oder krankhaft veränderten Eigenschaften können diagnostische Biomarker Patienten entsprechenden Krankheitsbildern zuordnen. (4)
Prädiktive Biomarker können mit Hilfe von diagnostischen Tests gemessen werden. Der Arzt bekommt damit eine Entscheidungshilfe an die Hand, wie wahrscheinlich ein Patient auf ausgewählte Therapien ansprechen wird. (5)
Anhand von prognostischen Biomarkern können Aussagen über den voraussichtlich zu erwartenden Krankheitsverlauf getroffen werden.
Mit Hilfe von
Um zu bestimmen, wie gut solch ein diagnostischer Test ist, gibt es zwei Kriterien: Sensitivität und Spezifität. Die Sensitivität gibt an, wie häufig Personen, die eine bestimmte Erkrankung haben, als krank identifiziert werden. Die Spezifität gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der ein Test tatsächlich Gesunde auch als gesund erkennt. Idealerweise sollte ein Test zu 100 Prozent sensitiv und spezifisch sein, also sowohl alle Gesunden als gesund und auch alle Kranken als krank erkennen – das ist in der Realität (noch) nicht möglich. Bisher gehen diagnostische Tests einen Kompromiss zwischen beiden Werten ein: Eine steigende Sensitivität geht auf Kosten der Spezifität.
Diagnostische Tests: Die Sicherheitskontrollen am Flughafen
Bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen werden Passagiere auf bedrohliche Güter hin untersucht. Häufig lösen aber auch Gegenstände, die kein Risiko darstellen, einen Alarm aus, wie Haarklammern oder Gürtel (es liegt eine geringe Spezifität vor; falsch positiv). Damit erhöht sich aber auch die Wahrscheinlichkeit, möglichst alle Objekte zu finden, die tatsächlich eine Gefahr darstellen (hohe Sensitivität).
Im Bereich der
Roche als Treiber der Personalisierten Medizin
Dank der divisionsübergreifenden Zusammenarbeit und engen Kooperation zwischen Pharma, Diagnostik und Health-IT bietet Roche heute sieben Medikamente mit einem Companion Diagnostic an. Von der Forschung über die Entwicklung bis hin zur Vermarktung eines neuen Wirkstoffs oder diagnostischen Tests wird kontinuierlich Wissen ausgetauscht und zusammengearbeitet. Diese intensive Kooperation zwischen Forschung und Entwicklung ist einzigartig und unterscheidet Roche von anderen Unternehmen.
Heute kommt mit Hilfe der Personalisierten Medizin immer häufiger ein umfassendes, molekulargenetisches
Referenzen
Scagliotti G et al. Eur J Cancer 2012; 48: 961-97
Krebsgesellschaft: Personalisierte Krebsmedizin: Für jeden Patienten die richtige Medizin.
Online unter:
U.S. Department of Health and Human Services, Food and Drug Administration:Guidance for Industry and FDA Staff Qualification Process for Drug Development Tools, 2014. Online unter:
Biomarkers and surrogate endpoints: preferred definitions and conceptual framework. Clin Pharmacol Ther. 2001; 69: 89-95.
Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) e.V.: In Deutschland zugelassene Arzneimittel für die Personalisierte Medizin (2019). Online unter:
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